Rezension Armin Skirde

Ein wichtiger Aspekt in Bezug auf den Keramikberuf ist für mich die Erkenntnis und das Begreifen der Tatsache, nie ausgelernt zu haben. Es ist toll, immer wieder Neues zu entdecken und dazulernen zu können. Dies ist aus meiner Sicht eine Lebenseinstellung und bezieht sich auf alle Lebensbereiche.

Ich gebe selbst Keramikkurse im Drehen an der Scheibe und kenne daher die Diskrepanz zwischen „Selbst Drehen können“ und dem Vermitteln. Seitdem ich Drehkurse gebe, habe ich begonnen, mein diesbezügliches Tun zu hinterfragen und zu reflektieren. Vieles macht der Töpfer unterbewusst, und es ist eine große Kunst, einem Anfänger die Abläufe logisch und verständlich zu erklären. Diese Auseinandersetzung fand auch bei Joachim Jung statt, und es gelang ihm in Perfektion. Nach langjährigen Selbstanalysen ist es ihm gelungen, diese schwer vermittelbaren Abläufe in verständlichen Worten in seinem Buch niederzuschreiben.

Beim Töpfern handelt es sich in den Augen Vieler (auch unter Fachleuten) um ein Handwerk, das man durch eine Mischung aus Talent, Beobachtungsgabe, Geduld, Nachahmung und viel probieren erlernen kann (oder auch nicht). Tatsächlich braucht man auch wirklich viel Intuition, Einfühlungsvermögen, Willen und Geduld. Aber es gibt sie, die Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die das Lernen vereinfachen und beschleunigen können.

Wer das „Seriendrehen“ gut beherrscht, wo die Abläufe quasi wie automatisiert, fast wie im Schlafe ablaufen, kennt vielleicht das Gefühl der völligen Entspannung. Der Arbeitsablauf geschieht mit „traumhafter“ Sicherheit. Der Spruch „Töpfern ist das neue Yoga“ liegt für mich gar nicht so daneben.
Jung hat in seinem Buch durch viel Erfahrung und Reflexion seines eigenen Tuns eine nahezu wissenschaftliche Anleitung entwickelt. Durch die Erkenntnis der Wichtigkeit physikalischer Kräfte, wie Fliehkraft, Schwerkraft, Winkel- und Hebelgesetze, aber auch des gezielten Einsetzens der eigenen Körpermasse, legt er Regeln und Gesetzmäßigkeiten dar, die für das Erlernen des Töpferhandwerks unerlässlich sind. Es ist ihm gelungen, diese gut verständlich zu vermitteln – und zwar in Wort und Bild. Teilweise hat er zur besseren Verständlichkeit, zur besseren Verdeutlichung auf den Bildern auch Vektoren verwendet.

Er beschreibt nützliches Fachwissen, das auch über das reine Drehen hinausgeht. Das Buch ist sowohl für Anfänger, fortgeschrittene Amateure aber auch für professionelle Keramiker geeignet und natürlich auch ein gutes Handbuch für Lehrlinge. Es eignet sich sowohl zur Reflexion, aber auch zur Weiterbildung in einzelnen Details. Ob das jetzt das „Großdrehen“ betrifft, die Henkeltechniken oder eine der vielen Spezialanleitungen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass es ein Buch in dieser Form, mit diesem Niveau weltweit noch nicht gibt. Die meisten Bücher zu diesem Thema bleiben vergleichsweise doch sehr an der Oberfläche.

Angesichts der Situation der geringer werden Anzahl der Ausbildungsbetriebe und dem gleichzeitig wachsenden Interesse am Erlernen des Töpferberufes, könnte Joachims Jung’s Buch noch zu großer Bedeutung kommen. Es hat auf alle Fälle Potenzial, ein Kultbuch für Töpfer zu werden und vielleicht ähnliche Bedeutung zu gewinnen wie das von ihm oft erwähnte Buch von Michael Cardew „Der Pioniertöpfer“. Auf alle Fälle gibt das Buch „Drehen auf der Töpferscheibe“ seinen Lesern die Chance, das Erlernen des Drehens im wörtlichen Sinne zu „Begreifen“.

Armin Skirde
selbstständiger Keramiker
www.arminskirdekeramik.de